Mit dem Begriff Minoritätsangriff (Minderheitsangriff)
wird eine Strategie bezeichnet, die bei einer bestimmten Bauernstruktur Erfolg verspricht.
Minoritätsangriff der weißen Bauern a und b gegen die schwarzen Bauern a, b und c
Beim Minoritätsangriff greift eine Bauernminderheit eine Bauernmehrheit an (meist 2 gegen 3 Bauern). Das ist eine paradoxe Situation, weil ein Angriff in der Regel materielle Überlegenheit erfordert. Ziel des Minoritätsangriffs ist die Schwächung, Zerstörung oder Auflösung der gegnerischen Bauernstruktur, die dann wiederum durch Figuren angegriffen bzw. blockiert werden kann.
Oftmals ist der Minoritätsangriff mit Druck durch Schwerfiguren in einer Linie verbunden. Im nebenstehenden Beispiel durch Weiß in der c-Linie, in der nach b5xc6 und b7xc6 ein rückständiger Bauer entstünde.
Das Bild zeigt eine Bauernformation, wie sie sich regelmäßig aus verschiedenen Eröffnungen (Damengambit, Caro-Kann, verschiedene Indische Systeme) ergeben kann. Schwarz hat eine Bauernmehrheit am Damenflügel. Wenn er diese bis ins Endspiel ohne Schwächung behaupten kann, wird er sich davon einigen Vorteil versprechen. Doch für Weiß ergibt sich oft die Möglichkeit, mit einem Vorstoß seines b-Bauern diese Kette anzugreifen und entsprechen zu schwächen. Wenn Schwarz dem mit a7-a5 vorbeugen will, wird der weiße Angriff mit a2-a4 unterstützt.
Schwarz kann nach diesem Vorstoß auf zwei Arten reagieren:
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Er kann sich ruhig verhalten und abwarten, das Weiß mit b5xc6 einen Bauern abtauscht. In diesem Fall behält Schwarz einen rückständigen Bauern auf c6, der eine langfristige Schwäche darstellt. Weiß wird diesen Bauern angreifen und eventuell später erobern. Schwarz muss sich dauerhaft um die Verteidigung bemühen
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Schwarz kann selbst mit c6xb5 den Abtausch einleiten. Denn behält er jedoch isolierte Bauern auf b7 und d5, die wiederum für Weiß angreifbar bleiben. Dass es sich bei b7 möglicherweise um einen Freibauern handelt, ist dabei kaum von Belang
Ein Lehrbeispiel des Weltmeisters Max Euwe (1901-1981)
Minoritaetsangriff – Beispiel von Euwe
1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sc3 Sf6 4.Lg5 Le7 5.cxd5 exd5 Das Musterbeispiel für den Minoritätsangriff ergibt sich aus der Abtauschvariante des Damengambits.
15…De7 [Sehen wir auch die bereits angedeutete Einschaltung des Zugpaares a6 / a4: 15…a6 16.a4 De7 17.b5 axb5 18.axb5 cxb5 19.Sxb5 Tec8 20.Db3 und Schwarz hat Bauernschwächen auf b7 und d5 zu verteidigen.]
16.b5 Dd6 Das überlässt Weiß die Initiative zum Abtausch. [16…cxb5 Schwarz tauscht selbst auf b5. 17.Sxb5 Lxb5 18.Lxb5 Tec8 19.Df5 Schwarz hat nun den isolierten Bauern auf d5. Aus der Bauernmehrheit auf a- und b-Linie kann er kaum Vorteil ziehen. Nach einem eventuellem Abtausch bleibt dort ein weiterer isolierter Bauer. Dass es sich dabei um einen Freibauern handelt, ist nur ein schwacher Trost.]